Informationen für Mandanten und Freunde des Hauses 4/2008
1. Regelung zum Betriebsausgabenabzug bei Beteiligungserträgen verfassungswidrig?
2. Einlagen begründen Verlustausgleich in Folgejahren
3. Berücksichtigung von Schulgeldzahlungen an ausländische Schulen
4. BFH-Urteil zum Grundsteuererlass bei strukturell bedingter Ertragsminderung
5. Rückwirkender Wegfall des Betriebsvermögensfreibetrages bei Insolvenz
6. Gestaltungsmissbrauch bei Ver- und Rückkauf von Aktien am selben Tag?
7. Solidaritätszuschlag
Sehr verehrte Mandantin,sehr geehrter Mandant,die nachfolgenden Hinweise empfehlen wir Ihrer Aufmerksamkeit. Die Hinweise können weder denAnspruch auf Vollständigkeit erheben noch gar ein Beratungsgespräch ersetzen. Wir möchten mit denAusführungen den Dialog mit Ihnen anregen. Selbstverständlich erfolgt diese Serviceleistung ohne Berechnung.
1.Regelung zum Betriebsausgabenabzug bei Beteiligungserträgen verfassungswidrig?
Die gesetzliche Fiktion, dass bei Kapitalgesellschaften vom Beteiligungsertrag oder Veräußerungsgewinn einer Beteiligung 5 % pauschal als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe gelten, könnte verfassungswidrig sein. Das Finanzgericht Hamburg zweifelt die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Grundgesetz an. Nun muss sich das Bundesverfassungsgericht damit befassen.Die umstrittene Regelung hängt damit zusammen, dass bei Kapitalgesellschaften Dividendenbezüge und Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerfrei sind. Damit verbundene Aufwendungen können im Umkehrschluss nicht steuermindernd berücksichtigt werden. Allerdings gelten 5 % der steuerfreien Dividendenbezüge und Veräußerungsgewinne als fiktive Betriebsausgaben, die nicht abgezogen werden dürfen. Dadurch erhöht sich das Einkommen der Körperschaft. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werden also nur 95 % der Beteiligungserträge von der Steuer frei gestellt. Da spielt es keine Rolle, ob die Körperschaft im Zusammenhang mit dieser Beteiligung gar keine oder nur geringere Aufwendungen als diese fiktiven 5 % hat: ihr Einkommen wird pauschal um diesen Betrag erhöht. Mit dieser Regelung erklärte sich eine GmbH, die den Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Beteiligungen, Finanzanlagen und Immobilien betrieb, nicht einverstanden. Bei ihr führte das zu einer Erhöhung der Einkünfte um rund 600.000 €, obwohl sie tatsächliche Aufwendungen nur in Höhe von ca. 27.000 € hatte. Das Finanzgericht teilte die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm: sie verstoße gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, weil den von dieser Regelung betroffenen Körperschaften der Nachweis und die Berücksichtigung niedrigerer Betriebsausgaben verwehrt sei.
Quelle: FG Hamburg, Beschluss vom 7. November 2007, 5 K 153/06, Vorlagebeschluss an das BVerfG
2.Einlagen begründen Verlustausgleich in Folgejahren
Die Finanzverwaltung wendet nun doch die positive Rechtsprechung des BFH zur Verlustberücksichtigung eines Kommanditisten an. Einlagen, die ein negatives Kapitalkonto ausgleichen, können Verlustausgleichspotenzial für Folgejahre schaffen.Leistet ein Kommanditist Einlagen zum Ausgleich seines negativen Kapitalkontos und kann er diese nicht im selben Jahr durch sofort ausgleichsfähige Verluste verbrauchen, ermöglicht ihm diese Einlage einen Verlustausgleich in späteren Wirtschaftsjahren. Das hatte der BFH bereits in mehreren Urteilen so gesehen. Allerdings wandte die Finanzverwaltung diese Grundsätze nicht an. Das Verlustausgleichspotenzial der Einlage ging damit quasi verloren, wenn kein Verlustausgleich im Jahr der Einlage erfolgen konnte.Doch damit ist nun Schluss: Die nicht im gleichen Wirtschaftsjahr mit Verlusten ausgeglichenen Einlagen werden als Korrekturposten erfasst. Entstehen in den nachfolgenden Wirtschaftsjahren Verluste, sind die bis zum Ausgleich dieses Postens sofort ausgleichsfähig. Das gelte auch dann, wenn durch den Verlustausgleich erneut ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich gar erhöht.
Quelle: BMF-Schreiben vom 19. November 2007, IV B 2 S 2241 a/07/0004
3.Berücksichtigung von Schulgeldzahlungen an ausländische Schulen
Eine steuerliche Begünstigung von Schulgeldzahlungen an bestimmte Privatschulen darf in Deutschland steuerpflichtigen Personen bei Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten nicht generell versagt werden. So lautet ein neueres Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Derzeit dürfen Steuerpflichtige 30 % des Entgelts abziehen, das sie für unterhaltsberechtigte Kinder für den Besuch von Privatschulen entrichten, die in Deutschland bestimmte Voraussetzungen erfüllen – mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung. Es handelt sich dabei um die staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschulen, die als Ersatz für eine im jeweiligen Bundesland vorhandene oder vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen, sowie um die Ergänzungsschulen, d.h. deutsche Schulen, die keine Ersatzschulen sind und nach Landesrecht als allgemein bildende Ergänzungsschulen anerkannt sein müssen.Da diese steuerliche Vergünstigung nicht für Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten gilt, haben sich das Finanzgericht Köln und die EU-Kommission an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gewandt, damit sich dieser zur Vereinbarkeit der betreffenden Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht äußert.Der Europäische Gerichtshof stellt fest, dass die Kinder der Steuerpflichtigen mit dem Besuch einer Schule in einem anderen Mitgliedstaat von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben. Eine nationale Regelung, die bestimmte eigene Staatsangehörige allein deswegen benachteiligt, weil sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht haben, stellt eine Beschränkung dieser Freiheiten dar.Die Nichterstreckung der in Rede stehenden steuerlichen Vergünstigung auf Schulgeldzahlungen an Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten kann auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, diese Schulen und die von der fraglichen Regelung erfassten deutschen Schulen, denen untersagt sei, Schulgeld in einer Höhe zu erheben, die eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen ihrer Eltern zulasse, befänden sich nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation. Die Regelung macht nämlich die steuerliche Vergünstigung davon abhängig, dass die betreffende Privatschule in Deutschland genehmigt, erlaubt oder anerkannt ist, ohne objektive Kriterien aufzustellen, die es ermöglichen würden, zu bestimmen, welche Arten des von deutschen Schulen verlangten Schulgelds abzugsfähig sind. Jede in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland ansässige Privatschule ist somit aufgrund der bloßen Tatsache, dass sie nicht in Deutschland ansässig ist, automatisch von der steuerlichen Vergünstigung ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankäme, ob sie Kriterien erfüllt wie die Erhebung von Schulgeld in einer Höhe, die keine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen ihrer Eltern zulässt.Zusätzlich stellt der Gerichtshof fest, dass die deutsche Regelung die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Niederlassungsfreiheit der steuerpflichtigen Eltern verletzt. Die Regelung benachteiligt insbesondere Arbeitnehmer und Selbständige, die nach Deutschland gezogen sind oder dort ihren Arbeitsplatz haben und deren Kinder weiterhin eine kostenpflichtige Schule in einem anderen Mitgliedstaat besuchen. Diesen Arbeitnehmern und Selbständigen ist der Sonderausgabenabzug verwehrt, anders als wenn ihre Kinder eine Schule in Deutschland besuchten.
Quelle: EuGH-Urteile vom 11. September 2007, C 76/05, sowie C 318/05
4.BFH-Urteil zum Grundsteuererlass bei strukturell bedingter Ertragsminderung
Der BFH musste über einen Grundsteuererlass eines bebauten Grundstücks entscheiden. Der Einheitswert des Grundstücks wurde durch das Ertragswertverfahren ermittelt. Der BFH entschied, den Grundsteuererlass wegen strukturell bedingter Ertragsminderung zu gewähren und zwar unabhängig davon, ob die Ertragsminderung von mehr als 20 % typisch oder atypisch sei, strukturell oder nicht strukturell bedingt bzw. vorübergehend oder nicht vorübergehend sei. Die Ertragsminderung sei lediglich an der tatsächlich vereinbarten oder an der üblichen Miete zu messen.Die tatsächlich vereinbarte Miete sei immer dann heranzuziehen, wenn zu Beginn des Erlasszeitraums (1.1. des jeweiligen Kalenderjahres) die Räume vermietet seien, der Mieter aber im Verlauf dieses Zeitraums die Miete nicht zahlt oder auszieht und ein Nachmieter nicht oder nicht sofort gefunden werden kann. Die übliche Miete ist maßgebend, wenn Räume zu Beginn des Erhebungszeitraums leer standen. Hinter dem Begriff übliche Miete verbirgt sich die Miete, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Bleiben die tatsächlich erzielten Einnahmen in dem einjährigen Erlasszeitraum tatsächlich hinter diesen Bezugsgrößen um mehr als 20 % zurück, besteht ein Anspruch auf Grundsteuererlass. Voraussetzung dafür ist, dass den Vermieter kein Verschulden an der Ertragsminderung trifft. Damit das ausgeschlossen werden kann, muss er sich um die Vermietung der Räume zu einem marktgerechten Preis nachhaltig bemühen.
Quelle: BFH-Urteil vom 24. Oktober 2007, II R 5/05, BFH-Pressemitteilung vom 12. Dezember 2007, Nr. 107/07
5.Rückwirkender Wegfall des Betriebsvermögensfreibetrages bei Insolvenz
Auch bei der Übertragung von GmbH-Anteilen durch Schenkung oder vorweggenommene Erbfolge kann der Betriebsvermögensfreibetrag in Höhe von maximal 225.000 € und der Bewertungsabschlag von 35 % für den darüber hinausgehenden Betrag gewährt werden, wenn der Erblasser oder Schenker zu mehr als ¼ an der GmbH beteiligt war. Diese Vergünstigung fällt aber weg, wenn die Anteile innerhalb von 5 Jahren z.B. veräußert oder die Kapitalgesellschaft aufgelöst werden.Fraglich war, ob die Vergünstigungen auch im Falle der Insolvenz der GmbH wegfallen. Dies bejahte der BFH in einem vor kurzem veröffentlichten Urteil. Die Steuervergünstigungen fallen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH rückwirkend weg, so der BFH.
Quelle: BFH-Urteil vom 21. März 2007, II R 19/06, BFH/NV 2007 S. 1321
6.Gestaltungsmissbrauch bei Ver- und Rückkauf von Aktien am selben Tag?
Nach einem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg liegt kein Gestaltungsmissbrauch vor, wenn ein Anleger Aktien verkauft, um Spekulationsverluste steuerlich zu realisieren, und am selben Tag Aktien gleicher Art und in gleicher Anzahl zurückkauft.Ein Steuerpflichtiger hatte im Jahr 2000 Aktien verkauft, die erheblich in ihrem Kurswert gesunken waren. Bei den Aktien war die einjährige Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen. Noch am selben Tag kaufte er die Aktien mit gleicher Stückzahl wieder zurück. In seinem Depot gab es damit keine Veränderung, aber er hatte zwischenzeitlich den Kursverlust der Aktien realisiert. Das Finanzamt wollte die Verluste nicht anerkennen. Nach dessen Ansicht wurde der Ver- und Ankauf der Wertpapiere am selben Tag und in derselben Anzahl nur zum Zweck der Realisierung der Spekulationsverluste innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist durchgeführt und sei daher ein Gestaltungsmissbrauch, der steuerlich nicht anerkannt werden könne. Die Verluste seien daher steuerlich unrelevant. Das Finanzgericht Baden-Württemberg sah das anders. Die verlustrealisierende Veräußerung von Wertpapieren sei auch dann nicht als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten anzusehen, wenn ein identischer Bestand an Wertpapieren an dem selben Tag zurückgekauft wird. Bei der Besteuerung von Wertpapieren sei allein maßgeblich, dass ein Wirtschaftsgut innerhalb eines bestimmten Zeitraums angeschafft und veräußert worden ist. Auf die Motivation und die Absichten des Steuerpflichtigen komme es nicht an. Im verhandelten Fall war der Besteuerungstatbestand erfüllt. Der anschließende Rückkauf der Aktien könne den verwirklichten Steuertatbestand rückwirkend nicht beseitigen.Zusätzlich müsse bei der Geltendmachung der Verluste berücksichtigt werden, dass Verluste typischerweise aus rein steuerlichen Gründen realisiert werden. Ihre Ausnutzung sei kein besonderes, rechtfertigungsbedürftiges Privileg, sondern die notwendige Folge eines an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Steuersystems, so die Richter am Finanzgericht. Räume das Gesetz selbst dem Steuerpflichtigen ein Gestaltungsrecht hinsichtlich des Eintritts eines Steuertatbestands ein, könne nach Auffassung des Finanzgerichts allein die Ausübung dieses Gestaltungsrechts nicht als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten angesehen werden.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. August 2007, 1 K 51/06, Revision eingelegt (Az. des BFH: IX R 60/07)
7. Solidaritätszuschlag: Das Bundesverfassungsgericht verweigert die Annahme der Verfassungsbeschwerde
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gegen den zeitlich unbefristetenSolidaritätszuschlag nicht zur Entscheidung angenommen, ohne dies zu begründen. In der Regelist es jedoch so, dass Verfassungsbeschwerden dann nicht zur Entscheidung angenommen werden,wenn sie keine Aussicht auf Erfolg haben. Weitere Verfahren zum Solidaritätszuschlag sind nichtmehr anhängig.Entscheidung des BVerfG vom 11.2.2008, Az. 2BvR 1708/06