7 / 2019

Informationen für Mandanten und Freunde des Hauses 7/2019

  1. Ist eine Bildschirm-Arbeitsbrille eine lohnsteuerfreie Leistung?
  2. Bei fehlenden ELStAM-Daten haftet der Arbeitgeber für die korrekte Abführung der Lohnsteuer
  3. EuGH verpflichtet EU-Mitgliedsstaaten zur umfassenden Arbeitszeiterfassung
  4. Homeoffice: Vermietung an die Firma
  5. Ein ständiger Streitpunkt mit den Finanzämtern: Die Aufteilung des Kaufpreises für ein bebautes Grundstück auf Grund + Boden und Gebäude
  6. Phantom-Lohn durch Arbeitszeitfiktion

Sehr verehrte Mandantin, sehr geehrter Mandant,

die nachfolgenden Hinweise empfehlen wir Ihrer Aufmerksamkeit. Die Hinweise können weder den Anspruch auf Vollständigkeit erheben noch gar ein Beratungsgespräch ersetzen. Wir möchten mit den Ausführungen den Dialog mit Ihnen anregen. Selbstverständlich erfolgt diese Serviceleistung ohne Berechnung.

1. Ist eine Bildschirm-Arbeitsbrille eine lohnsteuerfreie Leistung?

Die Bildschirm-Arbeitsbrille eines Arbeitnehmers kann lohnsteuerlich begünstigt sein. Es kommt auf den Fall an.

  • Der Arbeitgeber kann Bildschirmbrillen als Maßnahme des Arbeitsschutzes auf ärztliche Verordnung zuwenden § 6 Bildschirm-Arbeitsverordnung). Solche Zahlungen des Arbeitgebers sind steuer- und beitragsfrei. Denn in diesem Fall kommt ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers zum Tragen. Der Entlohnungscharakter steht nicht im Vordergrund.
  • Fehlt eine augenärztliche Verordnung, eröffnet § 3 Nr. 34 EStG keine Möglichkeit, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine Bildschirmbrille als steuerfreie Leistung zuwenden. Die Steuerfreiheit in § 3 Nr. 34 EStG bezieht sich nur auf Leistungen der verhaltensbezogenen Prävention (von Krankenkassen zertifizierte Präventionskurse) sowie betriebliche Gesundheitsförderungsleistungen von Arbeitgebern, die nach Zweckbestimmung, Zielgerichtetheit und Qualität den Anforderungen des § 20b und dem GKV-Leitfaden Prävention (Abruf-Nr. 144035) entsprechen. Da der Leitfaden keine Leistungsansprüche auf Bildschirmbrillen enthält, scheidet auch die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 34 EStG aus, so der GKV-Spitzenverband.

2. Bei fehlenden ELStAM-Daten haftet der Arbeitgeber für die korrekte Abführung der Lohnsteuer

Folgt man einem Beschluss des FG Berlin-Brandenburg, ist die Lohnsteuer nach der Steuerklasse VI zu berechnen, wenn bis 2012 keine Lohnsteuerkarte vorliegt und seit 2013 keine ELStAM-Daten vorliegen.

Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse I statt Steuerklasse VI

Die Arbeitgeberin war eine GmbH, die als eines von insgesamt sieben Tochterunternehmen zu einem

Konzern gehörte. Die GmbH war als Werksvertragsunternehmen auf dem Gebiet der Bauwirtschaft tätig. In der Zeit von 2012 bis 2015 erbrachte die GmbH aufgrund von Werkverträgen Bauleistungen für verschiedene deutsche Auftraggeber. Hierbei setzte die GmbH eine Vielzahl eigener Arbeitnehmer ein. Diese Arbeitnehmer erfasste sie in ihrer Buchführung mit „Staatsangehörigkeit 152“. „152“ steht für Polen. Die Lohnsteuer für die polnischen Arbeitnehmer entrichtete sie nach der Steuerklasse I.

Das Finanzamt führte bei der GmbH eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Weil keine Nachweise bezüglich der Lohnsteuermerkmale vorgelegt wurden, berechnete das Finanzamt die Lohnsteuer nach dem Lohnsteuerabzugsmerkmal der Steuerklasse VI. Es forderte von der GmbH rund 2,1 Mio. Euro nach. Der Antrag der GmbH auf Aussetzung der Vollziehung war erfolglos (FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 9 V 9023/18).

Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers

Nach § 42d Abs. 1 EStG haftet der Arbeitgeber (GmbH) u.a. für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat (Abs. 1 Nr. 1) und für die Einkommensteuer (Lohnsteuer), die aufgrund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wird (Abs. 1 Nr. 3). Für das FG lagen die Voraussetzungen vor.

  • Die GmbH hatte für die Arbeitnehmer mit der Schlüsselung „152“ weder die für einen Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse I erforderlichen Lohnsteuerkarten (für das Jahr 2012) noch die „ELStAM-Daten“ (für die Jahre 2013 bis 2015) vorliegen. Deswegen wäre die GmbH verpflichtet gewesen, für die Arbeitnehmer mit der Schlüsselung „Staatsangehörigkeit 152“ die Lohnsteuer nach der Steuerklasse VI zu berechnen.
  • Das Finanzamt berechnete daher zu Recht die Lohnsteuer nach dem Lohnsteuerabzugsmerkmal der Steuerklasse VI (§38b Abs. 2 oder 3 EStG).

Hinweis: Liegen keine „ELStAM-Daten“ vor, ist die Lohnsteuer nach der Steuerklasse VI, und nicht, wie sehr oft in der Praxis, nach der Steuerklasse I zu berechnen. Nur so können sich Arbeitgeber vor hohen Nachforderungen anlässlich von Lohnsteuer-Außenprüfungen schützen.

3. EuGH verpflichtet EU-Mitgliedsstaaten zur umfassenden Arbeitszeiterfassung

von RA Dr. Christian Schlottfeldt, www.arbeitszeitkanzlei.de, Berlin

Die EU-Mitgliedsstaaten müssen die Arbeitgeber verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, so der EuGH. Dies wird auch Folgen für das deutsche Arbeitszeitrecht haben.

EuGH verlangt Arbeitszeiterfassung

Der EuGH hält es für geboten, dass die EU-Mitgliedsstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die vom Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Insbesondere gehe es darum, Arbeitnehmern, Behörden und Gerichten die Prüfung der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorgaben zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit sowie zu täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten zu ermöglichen. Die konkreten Modalitäten eines solchen Systems seien von den Mitgliedstaaten zu bestimmen und könnten branchenbezogenen Besonderheiten oder der Größe der Unternehmen Rechnung tragen (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Rs. C-55/18).

Verschärfung der ArbZG-Aufzeichnungspflichten zu erwarten

Die EuGH-Entscheidung dürfte zu einer Verschärfung der arbeitszeitrechtlichen Aufzeichnungspflichten auch in Deutschland führen. Derzeit verpflichtet § 16 Abs. 2 ArbZG Arbeitgeber lediglich, die über die Arbeitszeit des § 3 ArvZG (8 Stunden an Werktagen Montag bis Samstag) hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen.

Eine Erfassung von Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Ruhepausen oder des Ausgleichs von Überschreitungen der werktäglichen Arbeitszeit innerhalb des insoweit vorgesehenen Ausgleichszeitraums (sechs Kalendermonate oder 24 Wochen; für Nachtarbeitnehmer ein Kalendermonat oder vier Wochen) verlangt das Arbeitszeitgesetz nicht.

Von einer Neuregelung werden voraussichtlich insbesondere Betriebe oder Arbeitsbereiche mit Vertrauensarbeitszeit betroffen sein, in denen keine betriebliche Arbeitszeiterfassung besteht und die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeitszeit nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen erfasst wird. Denn zukünftig dürften zumindest die Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeits-zeit aufzeichnungspflichtig werden. Spannend ist, ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber die vom EuGH skizzierten Spielräume nutzen und ob er erweiterte Möglichkeiten für die Arbeitszeit-gestaltung (etwa im Rahmen „mobiler Arbeit“ vorsehen wird. 

Hinweis: Bis zu einer Novellierung des Arbeitszeitgesetzes gelten die aktuellen (beschränkten) Aufzeichnungspflichten weiter. Soweit bereits zusätzliche Aufzeichnungspflichten gelten, z.B. im Rahmen mindestlohn- und entsenderechtlicher Bestimmungen, werden diese durch das EuGH-Urteil nicht berührt. Darüber hinaus können die Aufsichtsbehörden im Rahmen ihrer Befugnisse erweiterte Aufzeichnungen zur Überprüfung der Einhaltung des ArbZG anordnen.

4. Homeoffice: Vermietung an die Firma

Vom Grundsatz her ist es kein Problem, falls Sie Ihrem Arbeitgeber ein Homeoffice im eigenen Privathaus vermieten. Der Arbeitgeber zahlt dann an Sie eine Miete, und im Gegenzug erbringen Sie in diesen Räumen Ihre Tätigkeit für den Arbeitgeber. Der Vorteil: Sie brauchen sich für den Abzug der Raumkosten als Werbungskosten nicht um die Beschränkungen beim häuslichen Arbeitszimmer zu kümmern. So sind beim häuslichen Arbeitszimmer die Raumkosten z. B. nur bis zur Höhe von € 1.250 abzugsfähig, falls Sie beim Arbeitgeber nicht über einen eigenen Arbeitsplatz verfügen, ansonsten überhaupt nicht. Bei Vermietungseinkünften gibt es bei den Werbungskosten keine solche Grenze. Auf der anderen Seite muss ein Vermieter natürlich auch die Mieteinnahmen versteuern.

Damit diese Gestaltung funktioniert, muss das Finanzamt das Vermietungsverhältnis als solches anerkennen. Und diese Anerkennung ist gar nicht einfach zu erreichen. So ist stets zu prüfen, ob die Ursache für die Wohnungsvermietung nicht vielmehr in der Tätigkeit als Mitarbeiter zu suchen ist. Falls ja, gilt die Vermietung steuerlich nicht als Vermietung, sondern als Teil des Arbeitsverhältnisses, so dass die „Mietzahlungen“ des Arbeitgebers an den Mitarbeiter als Lohn besteuert werden (plus Sozialversicherungsabgaben). Maßgebend für die Einordnung „Mietverhältnis vs. Arbeitsverhältnis“ ist, in wessen Interesse die Vermietung erfolgt.

Dient die Vermietung dem Arbeitnehmer, ist davon auszugehen, die Zahlungen des Arbeitgebers erfolgen für dessen individuelle Arbeitskraft (Indizien: im Unternehmen gibt es einen eigenen Arbeitsplatz; die Nutzung der Räume ist lediglich gestattet). Wird das Arbeitszimmer hingegen vorrangig im Interesse des Arbeitgebers genutzt, können Sie von Vermietungseinkünften ausgehen (Kriterien: kein geeigneter Platz im Büro; schriftlicher Mietvertrag; Anmietung zusätzlicher Büros für andere Mitarbeiter). Der Arbeitnehmer ist hier in der Nachweispflicht.

Neben dem Kriterium „Interesse“, das über das Vorliegen von Vermietungseinkünften entscheidet, gibt es die Überschusserzielungsabsicht. Generell liegen Einkünfte aus Vermietung nur vor, sofern der Vermieter eine solche Absicht hat. Anders als bei einer Vermietung von Gewerbeimmobilien kann sie bei der Vermietung zu privaten Wohnzwecken an einen Dritten stets unterstellt werden. Nun entschied der BFH letztes Jahr, bei der Vermietung eines Homeoffices an den Arbeitgeber handele es sich um eine Vermietung von Gewerbeimmobilien. Das heißt, der Arbeitnehmer muss seine Absicht, Überschüsse zu erzielen, im Zweifelsfall nachweisen. Kann er das nicht, wird die Vermietung nicht anerkannt. Wenn jedoch keine Vermietungseinkünfte vorliegen, was stellen die Zahlungen des Arbeit-gebers in solch einem Fall dann dar? Lohn?

Beachten Sie: In einem aktuellen Schreiben (Az. IV C 1-S 2211/16/10003 :005) erläutert das BMF, was gilt: „Ist das vorrangige betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Vermietung des Arbeitszimmers oder der als Homeoffice genutzten Wohnung vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber nachgewiesen, mangelt es aber an der Einkünfteerzielungsabsicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG infolge negativer Überschussprognose, handelt es sich um einen steuerlich unbeachtlichen Vorgang auf der privaten Vermögensebene.“ Mit anderen Worten: Erfolgt die Vermietung im Interesse des Arbeitgebers, sind seine Zahlungen ohne erbrachten Nachweis der Überschusserzielungsabsicht steuerlich unbeachtlich. Kein Lohn, keine Vermietungseinkünfte, aber auch kein Betriebsausgabenabzug.

5. Ein ständiger Streitpunkt mit den Finanzämtern: Die Aufteilung des Kaufpreises für ein bebautes Grundstück auf Grund + Boden und Gebäude

In der Praxis entsteht mit den Finanzämter immer wieder Streit darüber, wie der Gesamtkaufpreis für ein bebautes Grundstück auf Grund + Boden und Gebäude aufzuteilen ist.

Aufgrund der ständigen Rechtsprechung des BFH wird die Aufteilung des Kaufpreises heute bereits im Kaufvertrag vorgenommen. Wir empfehlen jedoch, die Berechnungsgrundlagen der Aufteilung dem Kaufvertrag als Anlage beizufügen.

Wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (zuletzt in seinem Urteil vom 16.9.2015 – BFH IX R 12/14 m.w.N.) ist die Kaufpreisaufteilung bei einem bebauten Grundstück, den die Vertragsbeteiligten in einem Kaufvertrag vorgenommen haben, grundsätzlich der Besteuerung zugrunde zu legen.

Vereinbarungen der Vertragsparteien über Einzelpreise für Einzelwirtschaftsgüter binden nach Auffassung des BFH nur dann nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen,

  • dass die Kaufpreise nur zum Schein bestimmt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1998 X R 96/96, BStBl II 1999, 217) oder
  • die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. von § 42 AO gegeben sind (BFH-Urteile in BFHE 224, 533, BStBl II 2009, 663).

Der BFH hat mit seiner Entscheidung jedoch keinesfalls eine Türe in der Weise eröffnet, dass die Finanzbehörden das vertraglich Vereinbarte durch eine typisierende Schätzung ersetzen können.

Aber genau hierin liegt häufig die Vorgehensweise der Finanzbehörden. Die Finanzbehörden ersetzen die vertraglichen Vereinbarungen der Vertragsbeteiligten durch ein typisierendes Schätzungsverfahren, das auf einem vereinfachten Verfahren zur Verkehrswertermittlung auf der Grundlage eines BMF-Schreibens beruht. Das Schätzungsverfahren des BMF kann möglicherweise dann zur Anwendung gelangen, wenn die Vertragsparteien keine konkrete Kaufpreisaufteilung vorgenommen haben. Das typisierende Schätzungsverfahren des BMF ist jedoch nicht dazu geeignet, einen Nachweis darüber zu erbringen, dass die getroffenen Vereinbarungen der Vertragsbeteiligten zum Schein getroffen worden sind oder sich als Gestaltungsmissbrauch darstellen.

6. Phantom-Lohn durch Arbeitszeitfiktion

Soweit Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen ist (Arbeit auf Abruf), muss die Vereinbarung eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit beinhalten.

Wenn die wöchentliche Arbeitszeit nicht vertraglich festgelegt ist, gilt ab 1.1.2019 eine Arbeitszeit von 20 Stunden (bisher 10 Stunden) als vereinbart (§ 12 Abs. 1 S 3 TzBfG). Diese Mindestarbeitszeit ist in Ermangelung abweichender Vereinbarungen selbst dann zu vergüten, wenn tatsächlich keine oder eine geringere Arbeitsleistung erbracht wurde.

Durch die 20 Stunden Fiktion kann darüber hinaus die Grenze für geringfügige Beschäftigungen        (€ 450/Monat) überschritten werden.

Aufgrund der vorerwähnten Neuregelung sollten bestehende Arbeitszeitvereinbarungen geprüft und erforderlichenfalls angepasst werden. Hierzu ist ein auch vom Arbeitnehmer unterzeichneter Vertrags- nachtrag erforderlich.

  • 12 TzBfG sieht darüber hinaus vor, dass bei einer vereinbarten Mindestarbeitszeit der Arbeitgeber nur bis zu 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen darf. Ist eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 % der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.

 

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