Informationen für Mandanten und Freunde des Hauses 12/2020
1. Bisher nicht amtlich veröffentlicht aber durchaus beachtenswert: Aufzeichnungspflicht von Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln
2. Rechtsmittel bei Zusammenveranlagung
3. BFH zum „anschaffungsnahen Aufwand“: Keine Anwendung für vor der Anschaffung getätigte Aufwendungen
4. Erste Tätigkeitsstätte: Gestaltungshinweise zur Entfernungspauschale
5. Eine verkannte Gefahr: Das häusliche Arbeitszimmer und die Betriebsaufspaltung
Sehr verehrte Mandantin, sehr geehrter Mandant,
die nachfolgenden Hinweise empfehlen wir Ihrer Aufmerksamkeit. Die Hinweise können weder den Anspruch auf Vollständigkeit erheben noch gar ein Beratungsgespräch ersetzen. Wir möchten mit den Ausführungen den Dialog mit Ihnen anregen. Selbstverständlich erfolgt diese Serviceleistung ohne Berechnung.
1. Bisher nicht amtlich veröffentlicht aber durchaus beachtenswert: Aufzeichnungspflicht von Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln
Der BFH hat mit Urteil vom 12.02.2020 (Az. X R 8/18; Vorinstanz FG München, Urteil v. 18.01.2018 – 10 K 3036/16) zu der Aufzeichnungspflicht bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG – speziell zur Vorlagepflicht von Unterlagen in elektronischer Form – Stellung genommen.
Der Beklagte ermittelte seinen Gewinn für die Jahre 2011 bis 2013 durch Einnahmen-Überschuss-rechnung. Das Finanzamt ordnete für diese Jahre eine Außenprüfung an und forderte den Beklagten auf, den Fragebogen zum EDV-System auszufüllen und verlangte die Überlassung von nicht näher bezeichneten „Datenträgern“.
Gemäß Beklagtenseite wurde u.a. vorgetragen, dass er weder nach dem Handelsrecht noch nach § 141 der Abgabenordnung (AO) buchführungspflichtig sei. Digitale Daten, auf die bei der Außenprüfung zurückgegriffen werden könne, lägen nicht vor. Eine elektronische Kasse existiere nicht. Die Belege seien ausschließlich in Papierform archiviert worden.
Da der Beklagte jedoch freiwillig Bücher führte, machte das Finanzamt geltend, dass auch für freiwillig elektronisch geführte Unterlagen eine Vorlagepflicht bestehe, soweit die Unterlagen unmittelbar in die Gewinnermittlung einflößen und so für die Besteuerung von Bedeutung seien.
Der BFH entschied wie folgt:
• Da der Kläger seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittele, sei er deshalb nur zur Übergabe bestimmter elektronischer Dateien an das FA verpflichtet.
• Es seien nur Aufzeichnungen aufzubewahren, soweit dies aufgrund anderer Steuergesetze, z.B. nach § 4 Abs. 3 Satz 5, Abs. 7 EStG und nach § 22 UStG gefordert ist.
• Es sei bereits grundsätzlich ausgeschlossen, dass die Finanzverwaltung mittels Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO Einsicht in Unterlagen verlangen kann, die zwar vorhanden sind, aber vom Steuerpflichtigen nicht aufbewahrt werden müssen.
• Eine Vorlagepflicht des Steuerpflichtigen nach § 200 Abs. 1 S. 2 AO bezöge sich regelmäßig auf die typischerweise erwartbaren Unterlagen. Dieser Pflicht würde bereits durch die Vorlage von Unterlagen in Papierform Genüge getan.
• Unterlagen und Daten, die „freiwilligen“, also über die gesetzliche Pflicht hinausreichenden Aufzeichnungen zuzuordnen sind, gehörten nicht zu den unter die Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 AO fallenden und folglich dem Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO unterliegenden Unterlagen und Daten.
Mangels Vorlagepflicht nach § 147 Abs. 6 AO verletzte der Kläger auch nicht seine Mitwirkungspflichten im Rahmen der Außenprüfung nach § 200 Abs. 1 S. 2 AO, wenn er nur freiwillig elektronisch geführte Unterlagen dem Prüfer nicht elektronisch zur Verfügung stellt.
2. Rechtsmittel bei Zusammenveranlagung
Wählen Ehegatten die Zusammenveranlagung, werden ihre Einkünfte zusammengerechnet und ihnen gemeinsam zugerechnet. Und wegen der gemeinsamen Veranlagung schulden sie die darauf festgesetzte Steuer als Gesamtschuldner. Zwar bleibt es jedem Gesamtschuldner unbenommen, gesondert Einspruch einzulegen oder zu klagen. Das Problem: Legt nur einer der Ehegatten Einspruch ein oder klagt, wird der Bescheid dennoch gegenüber dem anderen Ehegatten bestands-kräftig. Die Gesamtschuld bleibt also bestehen – egal, ob der klagende Ehegatte in der Sache Erfolg haben würde oder nicht. FG Köln (Az.15 K 279/17).
„Die gegenüber der Ehefrau eingetretene Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung führt dazu, dass der Kläger (Ehemann) die festgesetzte Steuer als Gesamtschuldner (mit-)schuldet und selbst bei einer Veränderung der Besteuerungsgrundlagen zu seinen Gunsten kein (weiteres) Guthaben (zur Auszahlung, Verrechnung o.ä.) mehr erlangen kann“. Wurden die Eheleute zusammen veranlagt, so sind sie Gesamtschuldner der festgesetzten Steuer.
Wenn ein Ehegatte nur in eigenem Namen gegen den Steuerbescheid vorgeht, kann er durch seine Klage nichts gewinnen. Die Steuer bleibt als Gesamtschuld bestehen. Eine Klage ist damit unzulässig.
Zusatzhinweis: Bei zusammenveranlagten Ehegatten gibt es die Möglichkeit, die Aufteilung der Gesamtschuld nach § 268 ff. AO zu beantragen. Für die Vollstreckung der Steuern wird dann so getan, als ob die Ehegatten getrennt veranlagt wurden. Ein solcher Antrag hilft dem Finanzgericht zufolge hier jedoch nicht weiter: „Ein Aufteilungsbescheid kann gemäß § 269 Abs. 2 Satz 2 AO nicht (mehr) beantragt werden, wenn die angefochtene Steuer getilgt ist“. Die Folge: In solchen Fällen „ist die Klagebefugnis nicht mehr gegeben“. Ob die Richter mit ihrer strengen formalistischen Auffassung richtig liegen, muss nun der BFH entscheiden. Dort ist der Fall unter dem Az. X R 18/20 anhängig.
3. BFH zum „anschaffungsnahen Aufwand“: Keine Anwendung für vor der Anschaffung getätigte Aufwendungen
Der BFH hat mit Beschluss vom 28.4.2020 (Az. IX B 121/19, bisher nicht veröffentlicht) eine Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt.
Es ging um die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, nach der zu den Herstellungskosten eines Gebäudes auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zählen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden. Strittig war in der Vorinstanz, ob die Regelung auch auf Aufwendungen anzuwenden ist, die vor der Anschaffung anfallen.
Im Urteilsfall hatten die Kläger mit den Voreigentümern des erworbenen Gebäudes im notariellen Kaufvertrag u.a. vereinbart, dass mit Umbau- bzw. Renovierungsmaßnahmen in Eigenregie bereits vor der Kaufpreiszahlung begonnen werden durfte. Den Aufwand (größer 15 % der Anschaffungskosten) machten sie als Erhaltungsaufwendungen geltend, was das Finanzamt mit Verweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ablehnte.
Bereits die Vorinstanz (FG Rheinland-Pfalz v. 13.11.2019, 2 K 2304/17) hatte die Aufwendungen für die Baumaßnahmen nicht als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG qualifiziert, da sie bereits vor der Anschaffung des Gebäudes vorgenommen worden sind.
Nach dem BFH ist die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig; sie sei eindeutig anhand des Gesetzeswortlautes zu beantworten. Vor der Anschaffung eines Grundstücks vom Steuerpflichtigen getätigte Aufwendungen seien nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand steuerlich zu berücksichtigen.
4. Erste Tätigkeitsstätte: Gestaltungshinweise zur Entfernungspauschale
Die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten sind im Regelfall in voller Höhe als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig. Eine Ausnahme gilt für Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte.
Solche Fahrten sind zwar ebenfalls beruflich veranlasst aber entsprechend § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 und 4 a EStG nur in Höhe der Entfernungspauschale (€ 0,30 pro Entfernungskilometer) abzugsfähig.
Vielfach wird daher versucht, eine erste Tätigkeitsstätte zu vermeiden, um sämtliche Fahrtkosten in voller Höhe geltend zu machen.
Erste Tätigkeitsstätte
Als erste Tätigkeitsstätte kommen ausschließlich ortsfeste Einrichtungen in Betracht. Dies sind im Regelfall Büro oder Werkstatträume. Eine Tätigkeit auf einem LKW, Flugzeug oder Schiff begründet keine erste Tätigkeitsstätte.
Wird die Arbeit in Einrichtungen eines Dritten also zum Beispiel eines Kunden verrichtet, so kann diese erste Tätigkeitsstätte sein. Wird die Arbeit an verschiedenen Tätigkeitsstätten verrichtet, so ist in der Regel freie Wahl zwischen diesen Tätigkeitsstätten gegeben. Es wird nicht beanstandet, wenn bei der Wahl der ersten Tätigkeitsstätte die nächstgelegene gewählt wird.
Fehlt die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte durch den Arbeitgeber so nimmt die Finanz-verwaltung als erste Tätigkeitsstätte diejenige an, bei der der Arbeitnehmer typischerweise für zwei volle Werktage wöchentlich oder mindestens für ein Drittel seiner Arbeitszeit tätig werden soll.
Zeitlich befristete Entsendung
Wird ein Arbeitnehmer zeitlich befristet entsendet zum Beispiel an ein Tochterunternehmen, eine Schwestergesellschaft etc., so bleibt die erste Tätigkeitsstätte unverändert. Als Folge können die Fahrtkosten zu dem jeweiligen Einsatzort in tatsächlicher Höhe geltend gemacht werden. Wird der Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen am tatsächlichen Einsatzort abgeschlossen, so wechselt automatisch die erste Tätigkeitsstätte dorthin.
Besonders bei der zeitlichen Entsendung zu einem Tochter- oder Schwesterunternehmen bestehen daher Wahlrechte und Gestaltungsspielräume.
5. Eine verkannte Gefahr: Das häusliche Arbeitszimmer und die Betriebsaufspaltung
In der derzeitigen Corona-Krise wird verschiedentlich Gesellschafter-Geschäftsführern angeraten, mit „ihrer“ GmbH einen Mietvertrag über das coronabedingt genutzte häusliche Arbeitszimmer abzuschließen. Liegt die Anmietung im ganz überwiegenden Interesse des Arbeitgebers, um die betrieblichen Abläufe sicherzustellen, liegen bei dem Zahlungsempfänger Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung vor (außer es fehlt bei den Mietverträgen ab 1.1.2019 an einer Einkünfteerzielungsabsicht).
Das angemietete häusliche Arbeitszimmer kann jedoch auch schnell zu Diskussionen hinsichtlich der Begründung einer Betriebsaufspaltung führen. Die dieses Modell propagierenden Kollegen scheinen die BFH-Rechtsprechung zu verkennen, wonach ein häusliches Arbeitszimmer eine sachliche Verflechtung auslösen kann, sofern der Wert des Wirtschaftsgutes die Grenzen nach § 8 EStDV (das sind nur € 20.500) übersteigt.
Im Falle einer umsatzsteuerpflichtigen Vermietung kann eine Vorsteuerabzugsberechtigung begründet werden, wie der BFH mit Urteil v. 7.5.2020 – V R 1/18 gerade entschied. Hierdurch kann sich allerdings eine umsatzsteuerliche Organschaft – verbunden auch mit den Haftungsfolgen nach § 75 AO – ergeben.
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