10 / 2007 (Anlage)

 
 
Anlage zu Punkt 3. Umsatzsteuerpflicht ärztlicher Leistungen
zur Mandanteninformation 10/2007
 
 
 
 
1. Die für die gesetzliche Rentenversicherung erstellten ärztlichen Gutachten sind nur dann
steuerfrei, wenn die medizinische Betreuung im Vordergrund steht und Anlass des ärztlichen
Tätigwerdens ist.
 
Gutachterliche Tätigkeiten zur Feststellung der persönlichen Voraussetzungen für eine medizinische
Rehabilitation sind daher weiterhin nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei, da hier die medizinische
Betreuung im Vordergrund steht. Da die medizinische Betreuung beim Auftrag an den Arzt im Vorder-
grund steht, ändert sich an dieser umsatzsteuerlichen Beurteilung auch nichts, wenn der beauftragte
Arzt zu dem Ergebnis gelangt, dass der Patient nicht rehabilitierbar ist, sondern eine dauernde Erwerbs-
oder Berufsunfähigkeit gegeben ist.
 
Gutachterliche Feststellungen zum voraussichtlichen Erfolg von Rehabilitationsleistungen im Rahmen eines Rentenverfahrens sind demgegenüber nicht mehr nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei, da hier ein
Rentenantrag Anlass für das ärztliche Tätigwerden ist und nicht die medizinische Betreuung. Der Aspekt
„Rehabilitation vor Rente“ führt nicht dazu, dass die medizinische Betreuung in den Vordergrund tritt, da es
insoweit in erster Linie darum geht, Rentenleistungen nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringen
zu müssen (vgl. § 9 Abs.1 SGB VI).
 
 
2. Die im Rahmen der Pflegeversicherung zu erstellenden Gutachten zur Feststellung der
Pflegebedürftigkeit können nur dann nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei sein, wenn die medizinische
Betreuung im Vordergrund steht und Anlass des ärztlichen Tätigwerdens ist.
 
Bei gutachterlichen Tätigkeiten zur Feststellung der Voraussetzungen von Pflegebedürftigkeit oder zur
Feststellung, welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt (vgl. § 18 Abs. 1 SGB XI), stehen Fragen nach
Art und Umfang der erforderlichen Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (vgl. § 14 SGB XI)
im Vordergrund. Die nach § 18 Abs. 1 Satz 2 SGB XI im Rahmen dieser Prüfung ggf. auch zu treffenden
Feststellungen zu Fragen der Behandlungspflege treten dahinter zurück. Pflegegutachten sind daher regel-
mäßig nicht nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei.
 
Gleichwohl können die Pflege-Gutachten nach § 4 Nr. 15 a UStG umsatzsteuerfrei sein, wenn die hierfür
erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, also auf Gesetz beruhende Leistungen der Medizinischen
Dienste der Krankenversicherung und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen
untereinander und für die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung und deren Verbände vorliegen.
 
Die im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung nach § 275 SGB V vom Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung an externe Gutachter in Auftrag gegebenen Gutachten zu medizinischen Vorsorge- und
Rehabilitationsleistungen, zur Hilfsmittelversorgung und zur häuslichen Krankenpflege sind notwendiger Bestandteil
der Heilbehandlung, weil sie Ablauf und Inhalt der diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme festlegen bzw.
vorschlagen, die im Einzelfall medizinisch erforderlich ist. Derartige Leistungen sind weiterhin umsatzsteuerfrei. Die
von den Medizinischen Diensten der Krankenversicherung an externe Gutachter vergebenen Aufträge zur
Begutachtung ärztlicher Behandlungen, zahnärztlicher Behandlungen und zur
Verordnung von Arzneimitteln dienen der Prüfung einer vom Arzt/Zahnarzt angeordneten oder
verordneten Leistung. Insoweit steht kein therapeutisches Ziel im Vordergrund, so dass die Leistung
umsatzsteuerpflichtig ist.
 
 
 
3. Gutachten im vertragszahnärztlichen Bereich sind nur dann steuerfrei, wenn die medizinische
Betreuung im Vordergrund steht. Für die Frage der Umsatzsteuerpflicht ist es unerheblich, ob die ärztliche Leistung im Kontext des SGB V und SGB XI erbracht wird bzw. zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, da aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht allein die konkrete ärztliche Tätigkeit
beurteilt werden muss.
Bei bestimmten Vertragsgutachten steht regelmäßig nicht die medizinische Betreuung von Personen im Vordergrund, sondern die Frage, ob die Kosten der vorgesehenen Therapie von den gesetzlichen Krankenkassen zu tragen sind. Gleiches gilt bei ärztlichen Leistungen zur Verfolgung von Schadenersatzansprüchen. Derartige Leistungen sind ebenfalls umsatzsteuerpflichtig.
ImZusammenhang mit der kieferorthopädischen Behandlung und der Versorgung mit Zahnersatz (zahnprothetische Leistung) erhalten die medizinischen Dienste der Krankenversicherung Begutachtungsaufträge zur Prüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit einer vom Zahnarzt vorgeschlagenen Leistung. Bei derartigen Gutachten steht regelmäßig nicht medizinische Betreuung von Personen im Vordergrund, sondern die Frage, ob die Kosten der vorgesehenen Therapie von den gesetzlichen Krankenkassen zu tragen sind. Derartige Gutachten sind daher umsatzsteuerpflichtig.
4. Bei Gutachten nach § 12 Abs. 1 der Psychotherapie-Vereinbarung steht ebenfalls nicht die medizinische Betreuung von Personen im Vordergrund, sondern die Frage, ob die Kosten für diese Therapie von den gesetzlichen Krankenkassen zu tragen sind. Derartige Gutachten sind daher umsatzsteuerpflichtig.
5. Untersuchungsleistungen zur Erstellung eines umsatzsteuerpflichtigen Gutachtens teilen als Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung und sind gleichfalls umsatzsteuerpflichtig.
6. Bescheinigungen gem. Ziff. 70 GOÄ sind dann umsatzsteuerfrei, wenn sie als Nebenleistung zu einer umsatzsteuerfreien Untersuchungsleistung erbracht werden. Dies ist bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen regelmäßig der Fall.
7. Die Entschädigung des sachverständigen Zeugen, der Zeuge im Sinne des § 2 des Gesetzes über die Ent- schädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) ist, ist echter Schadenersatz (Abschn. 3 Abs. 8 UStR).
Die Entschädigung von Sachverständigen im Sinne des § 3 ZSEG ist steuerbar und steuerpflichtig, weil die Leistung nicht der Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin dient.
8. Bei den Leistungen der Betriebsärzte muss zunächst geprüft werden, ob es sich um im Betrieb
angestellte Ärzte handelt, die Betriebsangehörige behandeln und insoweit nicht umsatzsteuerbare Leistungen erbringen. Dagegen sind Berufstauglichkeitsuntersuchungen durch Betriebsärzte umsatzsteuerpflichtig.
Hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Beurteilung auf nach dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und anderen Schutzvorschriften erbrachten medizinische Leistungen wird auf das
BMF-Schreiben vom 4.5.2007, IV A 5 -S 7100/07/0011/IV A 6 -S 7170/07/0003 = SIS 071483 verwiesen.
 
9. Bei Vorsorgeuntersuchungen, bei denen Krankheiten möglichst frühzeitig festgestellt und mit größtmöglicher
Aussicht auf Erfolg behandelt werden sollen, wie z.B. Krebsfrüherkennung oder Glaukomfrüherkennung, steht
regelmäßig die medizinische Betreuung des Patienten im Vordergrund; sie sind umsatzsteuerfrei.
 
Dagegen sind Tauglichkeitsuntersuchungen (Tauchtauglichkeit, Flugtauglichkeit, etc.) umsatz-
steuerpflichtig.
10. Gutachten, die im Rahmen von Strafverfahren erstattet werden, sind ebenfalls umsatz-
steuerpflichtig, weil die medizinische Betreuung eines Patienten im Vordergrund steht.
 
11. Bei der körperlichen Untersuchung von Personen im Polizeigewahrsam zur Überprüfung der
Verwahrfähigkeit in der Zelle (alternativ erforderliche Krankenhauseinweisung) steht die
medizinische Betreuung der Person im Vordergrund; diese Leistung ist somit umsatzsteuerfrei.
12. Auf die Möglichkeit der Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG für die nunmehr steuerpflichtigen Umsätze aus der Sachverständigentätigkeit der Ärzte wird hingewiesen.