04 / 2017

Informationen für Mandanten und Freunde des Hauses 4/2017

  1. Der BFH erweiterte den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen: Stufenweise Ermittlung der zumutbaren Belastung
  2. Erbschaftsteuer: Geerbter Pflichtteilsanspruch unterliegt der Erbschaftsteuer, auch wenn er nicht geltend gemacht wird
  3. Neuregelung zur Verlustverrechnung bei Kapitalgesellschaften
  4. Kurzfristige Beschäftigung: Achtung bei der wiederholten Einstellung bei Aushilfen

Sehr verehrte Mandantin, sehr geehrter Mandant,

die nachfolgenden Hinweise empfehlen wir Ihrer Aufmerksamkeit. Die Hinweise können weder den Anspruch auf  Vollständigkeit erheben noch gar ein Beratungsgespräch ersetzen. Wir möchten mit den Ausführungen den Dialog mit Ihnen anregen. Selbstverständlich erfolgt diese Serviceleistung ohne Berechnung.

  1. Der BFH erweiterte den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen: Stufenweise Ermittlung der zumutbaren Belastung

Mit Urteil vom 19. Januar 2017 (VI R 75/14) hat der BFH entschieden, dass Steuerpflichtige sog. außergewöhnliche Belastungen (z.B. Krankheitskosten) weitergehend als bisher steuerlich geltend machen können.

Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen ist nach § 33 Abs. 1 und 3 EStG nur möglich, wenn der Steuerpflichtige mit überdurchschnittlich hohen Aufwendungen belastet ist. Eine Zumutbarkeitsgrenze („zumutbare Belastung“) wird in drei Stufen (Stufe 1 bis 15.340 €, Stufe 2 bis 51.130 €, Stufe 3 über 51.130 €) nach einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtbetrags der Einkünfte (abhängig von Familienstand und Kinderzahl) bemessen (1 bis 7 %). Der Prozentsatz beträgt z.B. bei zusammenveranlagten Ehegatten mit einem oder zwei Kindern 2 % (Stufe 1), 3 % (Stufe 2) und 4 % (Stufe 3).

Nach dem Urteil des BFH wird jetzt nur noch der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Stufengrenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet.

Danach erfasst z.B. der Prozentsatz für Stufe 3 nur den 51.130 € übersteigenden Teilbetrag der Einkünfte. Bislang gingen demgegenüber Finanzverwaltung und Rechtsprechung davon aus, dass sich die Höhe der zumutbaren Belastung einheitlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet. Danach war der höhere Prozentsatz auf den Gesamtbetrag aller Einkünfte anzuwenden.

Im Streitfall hatte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Einkommen-steuererklärung Krankheitskosten in Höhe von 4.148 € als außergewöhnliche Belastungen erklärt.

Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Eheleute über 51.130 € lag, berechnete das Finanzamt die zumutbare Belastung unter Anwendung des in der Situation des Klägers höchstmöglichen Prozentsatzes von 4 %. Die Krankheitskosten der Eheleute wirkten sich nach dem Abzug der zumutbaren Belastung nur noch mit 2.069 € steuermindernd aus.

Der BFH gab dem Kläger insoweit Recht, als er die vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung neu ermittelte. Bei der nun gestuften Ermittlung (im Streitfall 2 % bis 15.340 €, 3 % bis 51.130 € und 4 % erst in Bezug auf den die Grenze von 51.130 € übersteigenden Teil der Einkünfte) erhöhten sich die zu berücksichtigenden Krankheitskosten um 664 €.

Maßgebend für die Entscheidung des BFH waren insbesondere der Wortlaut der Vorschrift, der für die Frage der Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes gerade nicht auf den „gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte“ abstellt, sowie die Vermeidung von Härten, die bei der Berechnung durch die Finanzverwaltung entstehen konnten, wenn eine vorgesehene Stufe nur geringfügig überschritten wurde.

Das Urteil des BFH betrifft zwar nur den Abzug außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG, ist aber im Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht auf die Geltendmachung von Krankheitskosten beschränkt.

Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung, da Steuerpflichtige nun in der Regel früher und in größerem Umfang steuerlich entlastet werden.

  1. Erbschaftsteuer: Geerbter Pflichtteilsanspruch unterliegt der Erbschaftsteuer, auch wenn er nicht geltend gemacht wird

Ein vom Erblasser (bisher) nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zu seinem Nachlass und unterliegt bei seinem Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls. Das hat der BFH mit Urteil vom 7. Dezember 2016 II R 21/14 entschieden. Damit entsteht die Erbschaftsteuer bereits mit dem Tode des Pflichtteilsberechtigten, ohne dass es auf die Geltendmachung des Anspruchs durch dessen Erben ankommt.

Im Streitfall war der Kläger Alleinerbe seines im September 2008 verstorbenen Vaters. Dem Vater stand wegen einer Erbausschlagung ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 400.000 € zu, den er aber gegenüber dem Verpflichteten nicht geltend gemacht hatte. Nach dem Tod des Vaters beanspruchte jedoch der Kläger als neuer Anspruchsinhaber den geerbten Pflichtteil (im Januar 2009). Das Finanzamt rechnete den Pflichtteilsanspruch dem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb des Klägers bereits auf den Todeszeitpunkt seines Vaters hinzu. Der Kläger machte hiergegen geltend, dass ein Pflichtteil immer erst mit seiner Geltendmachung der Besteuerung unterliege. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab.

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung des FG. Ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch unterliegt bei seinem Erben der Besteuerung bereits aufgrund des Erbanfalls. Das Vermögen des Erblassers geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den Erben über. Dazu gehört auch ein dem Erblasser zustehender Pflichtteilsanspruch, weil dieser Anspruch kraft Gesetzes vererblich ist. Für die Besteuerung ist nicht erforderlich, dass der Erbe den geerbten Pflichtteilsanspruch geltend macht. Dabei besteht nicht die Gefahr einer doppelten Besteuerung beim Erben. Der Erbe eines Pflichtteilsanspruchs, muss nur beim Anfall der Erbschaft, Erbschaftsteuer für den Erwerb des Anspruchs bezahlen. Eine spätere Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch ihn löst keine weitere Erbschaftsteuer aus. Macht der Erbe – anders als im Streitfall – den Anspruch gegenüber dem Verpflichteten (ebenfalls) nicht geltend, bleibt es aber dabei, dass für den Erwerb des Anspruchs dennoch Erbschaftsteuer anfällt.

Demgegenüber unterliegt ein Pflichtteilsanspruch, der in der Person des Pflichtteilsberechtigten entsteht, erst mit der Geltendmachung der Erbschaftsteuer. Der Pflichtteilsberechtigte kann also – anders als sein eigener Erbe – die Erbschaftsteuer dadurch vermeiden, dass er nicht die Erfüllung seines Pflichtteilsanspruchs verlangt.

  1. Neuregelung zur Verlustverrechnung bei Kapitalgesellschaften

Der Gesetzgeber hat eine Neuregelung zur Verlustverrechnung bei Kapitalgesellschaften getroffen. Damit kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Verlustuntergang bei einer Anteilsübertragung von mehr als 25 % rückwirkend ab dem 1.1.2016 verhindert werden. Allerdings dürfen dann künftig bestimmte Maßnahmen nicht durchgeführt werden.

Hintergrund: Der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft geht nach dem Gesetz teilweise oder vollständig unter, wenn mehr als 25 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft innerhalb von fünf Jahren an einen Erwerber übertragen werden (sog. Mantelkauf). Hierdurch soll verhindert werden, dass Unternehmen ihre Steuern minimieren, indem sie „fremde“ Verluste nutzen. Ausnahmen gelten für Anteilsübertragungen innerhalb eines Konzerns und für Kapitalgesellschaften, die stille Reserven in Höhe des betroffenen Verlustvortrags haben.

Neuregelung: Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Regelung zum Verlustuntergang in vielen Fällen Kapitalgesellschaften behindert, insbesondere wenn es sich um junge Unternehmen handelt, die neues Kapital durch die Aufnahme neuer Gesellschafter benötigen. Denn dann kann es zu einer Anteilsübertragung von mehr als 25 % kommen. Die Neuregelung hat folgenden Inhalt:

3.1 Voraussetzungen

In den drei Jahren vor dem Beginn des Jahres, in dem die Anteilsübertragung erfolgt ist und bis zum 31.12. des Anteilsübertragungsjahres, muss die Kapitalgesellschaft denselben Geschäftsbetrieb unterhalten haben und darf keine der folgenden Maßnahmen durchgeführt haben:

Der Geschäftsbetrieb darf weder geruht haben, noch darf er eingestellt worden sein.

Hinweis: Diese Regelung ist relativ kompliziert, weil sie verschiedene Besonderheiten aufweist. So ist zu beachten, dass eine Einstellung bzw. ein Ruhen des Geschäftsbetriebs zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 1.1.2016 die Neuregelung von vornherein ausschließt. Hat der Geschäftsbetrieb also im Jahr 2010 geruht, gilt die Neuregelung nicht. Kommt es hingegen erst ab dem 1.1.2016 zu einer Einstellung oder einem Ruhen des Geschäftsbetriebs, ist die Neuregelung nur anwendbar, wenn der Drei-Jahres-Zeitraum eingehalten wird. Die Einstellung oder das Ruhen des Geschäftsbetriebs darf also nicht in den drei Jahren vor dem Beginn des Jahres, in dem die Anteile übertragen worden sind, erfolgt sein. Selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, sind in jedem Fall die Verluste aus dem Zeitraum vor der Einstellung bzw. dem Ruhen des Geschäftsbetriebs von der Neuregelung ausgeschlossen.

Es darf kein Branchenwechsel durchgeführt und es darf kein zusätzlicher Geschäftsbetrieb aufgenommen worden sein.

Die Kapitalgesellschaft darf weder als Mitunternehmerin an einer Personengesellschaft beteiligt, noch darf sie Organträgerin im Rahmen einer Organschaft gewesen sein.

Hinweis: Schädlich ist es insoweit nicht nur, wenn es innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums zu einer Beteiligung als Mitunternehmerin oder zur Begründung einer Stellung als Organträgerin kommt. Es darf bereits am 1.1. des dritten Jahres vor dem Anteilsübertragungsjahr keine Mitunternehmer- oder Organträgerstellung bestanden haben.

Außerdem dürfen auf die Kapitalgesellschaft keine stillen Reserven übertragen worden sein, also Wirtschaftsgüter zu einem Wert unterhalb des gemeinen Wertes.

Hinweis: Zu einer solchen Übertragung zum Buch- oder Zwischenwert kann es insbesondere bei einer Umwandlung kommen. Soll die Neuregelung genutzt werden, müssen die übertragenen Wirtschaftsgüter bei einer Umwandlung also mit dem gemeinen Wert angesetzt werden.

3.2 Antrag auf Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags

Die Kapitalgesellschaft muss in ihrer Steuererklärung einen Antrag stellen, wenn sie von der Neuregelung Gebrauch machen will. Es handelt sich also um ein Wahlrecht. Der Antrag darf nur einheitlich für die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer ausgeübt werden.

3.3 Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags

Liegen die o. g. Voraussetzungen vor, stellt das Finanzamt den fortführungsgebundenen Verlustvortrag in der Höhe fest, in der er sich ohne Anteilsübertragung zum 31.12. des Anteilsübertragungsjahres ergeben würde.

Hinweis: Als fortführungsgebunden festgestellt wird damit auch der gesamte Verlust des Anteilsübertragungsjahres. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob der Verlust ganz oder teilweise untergegangen wäre. Auch bei einer Anteilsübertragung von 40 %, die zu einem Verlustuntergang von 40 % geführt hätte, setzt sich der fortführungsgebundene Verlustvortrag also aus dem vollständigen Verlustvortrag zum 31.12. des Vorjahres und aus dem vollständigen Verlust des Anteilsübertragungsjahres zusammen.

3.4 Untergang des fortführungsgebundenen Verlustvortrags

Der fortführungsgebundene Verlustvortrag geht unter, wenn es in irgendeinem Folgejahr zu einem der in Abschnitt 1 genannten Ereignisse kommt, also z. B. der Geschäftsbetrieb eingestellt wird oder sich die Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin an einer Personengesellschaft beteiligt.

Hinweis: Hierfür gibt es keine Frist. Daher wäre eine Einstellung des Geschäftsbetriebs selbst nach zwölf Jahren schädlich. Unschädlich ist das Ereignis jedoch dann, wenn der fortführungsgebundene Verlustvortrag bereits mit Gewinnen vollständig verrechnet worden und somit aufgebraucht worden ist.

Kommt es zu einem schädlichen Ereignis und ist der fortführungsgebundene Verlustvortrag noch nicht vollständig aufgebraucht, bleibt der Verlustvortrag aber erhalten, soweit die Kapitalgesellschaft am 31.12. des Jahres, das vor dem schädlichen Ereignis liegt, über stille Reserven verfügte.

3.5 Anwendungsbereich

Die Neuregelung gilt sowohl für den körperschaftsteuerlichen als auch für den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag; außerdem wird auch noch der sog. Zinsvortrag erfasst.

Zeitlich ist die Neuregelung bereits ab 1.1.2016 anwendbar. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Geschäftsbetrieb der Kapitalgesellschaft irgendwann einmal vor dem 1.1.2016 geruht hat oder eingestellt gewesen ist (s. oben unter 3.1).

Hinweise: Die Neuregelung muss nicht in jedem Fall vorteilhaft sein. Bevor der Antrag auf Anwendung der Neuregelung gestellt wird, sollte eine steuerliche Prognoseplanung aufgestellt werden, bei der auch die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schädlichen Ereignisses berücksichtigt wird.

  1. Kurzfristige Beschäftigung: Achtung bei der wiederholten Einstellung von Aushilfen

Kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse sind ein beliebtes Mittel zur Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen. Sie sind dem Grunde nach sozialversicherungsfrei (mit Ausnahme der geringen Umlagebeiträge).

In der Praxis stellt sich jedoch häufig die Frage, wie Arbeitgeber das Problem der schädlichen wiederholten kurzfristigen Beschäftigung bewältigen können.

Für eine kurzfristige Beschäftigung gilt bis zum 31.12.2018 eine Zeitfrist von

  • 3 Monaten, wenn die Aushilfe an mindestens 5 Tagen pro Woche arbeitet bzw.
  • 70 Arbeitstagen bei weniger als 5 Wochenarbeitstagen.

Die Zeitgrenzen sind für sämtliche kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisse innerhalb eines Kalenderjahres und auch kalenderübergreifend anzuwenden.

Eine kurzfristige Beschäftigung liegt jedoch nur dann vor, wenn sie gelegentlich ausgeübt wird.

Eine kurzfristige Beschäftigung liegt daher nicht mehr vor, wenn sie bei vorausschauender Betrachtung von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet ist.

Unbedeutend ist es, ob die jeweiligen Arbeitseinsätze von vornherein feststehen oder immer wieder neu vereinbart werden.

Es ist daher größte Sorgfalt darauf zu legen, dass das Merkmal der ständigen Wiederholungsabsicht nicht gegeben ist.

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